Zwischenbilanz zur Zwangspause: Jan Jungandreas über Systeme, Rohdiamanten und Baustellen

Von Ulrich Milde

Niklas Zierau ist bislang einer der Gewinner der Saison.Foto: Alexander Prautzsch

Delitzsch. Zwei Herzen schlagen in seiner Brust. Einerseits sei es wegen der angespannten Pandemielage absolut verständlich, dass die Mitteldeutsche Handball-Oberliga den Punktspielbetrieb zunächst bis zum 9. Januar 2022 ausgesetzt hat. Andererseits sei die Unterbrechung schade, „denn wir haben uns zuletzt in guter Verfassung präsentiert“, sagt Jan Jungandreas, Trainer des NHV Concordia Delitzsch. In der Tat: Die beiden Auswärtserfolge beim HBV Jena (30:25) und beim Sonneberger HV (31:22) sowie der 21:19-Heimsieg zuvor gegen den HSV Apolda haben die Nordsachsen mit 14:6 Punkten auf den zweiten Platz geführt. Spitzenreiter ist die HG Köthen mit 15:3 Zählern.

Das vorläufige Aus „hat uns viel Schwung genommen“, meint der Concorden-Coach. Gerade für seine vielen jungen Spieler sei es wichtig, im Rhythmus zu bleiben. Erschwerend komme obendrauf, dass seine Mannschaft auch nicht gemeinsam trainieren dürfe. „Alle halten sich daheim mit Kraft- und Lauftraining eigenständig fit“, berichtet der Trainer. Laut aktueller Regelung im Freistaat dürfen lediglich Sportler und Sportlerinnen unter 16 Jahren noch in ihren Vereinen zusammen üben.

Ausfälle wichtiger Spieler

Das gute Abschneiden seines Teams nach einem Drittel der aktuellen Saison „ist für mich überraschend gekommen“, räumt Jungandreas ein. „Ich hatte nicht gedacht, dass wir angesichts unserer Verletzungsprobleme schon so weit sind.“ Das zeige, dass es sich um eine eingeschworene Truppe handele, in der jeder bereit sei, Verantwortung auch für den anderen zu übernehmen. Die Liste der Ausfälle war lang. Rückraumschütze Max Amtsberg zog sich bereits beim Auftakttraining im Juni eine Knieblessur zu und hat in dieser Spielzeit noch keine Sekunde auf dem Parkett gestanden. Ausfälle weiterer wichtiger Torgaranten wie Steve Baumgärtel und Tobias Karl kamen hinzu. Abwehrorganisator Martin Müller musste nach einem Daumenbruch ebenso wochenlang zusehen wie Torwart Vincent Bauer.

Die jetzige Pause hilft zwar, dass vor allem Amtsberg und Baumgärtel in aller Ruhe ihre Verletzungen auskurieren können. Jedoch fehlt gerade Amtsberg das handballspezifische Training. „Sollte die Saison relativ früh fortgesetzt werden, können wir nicht davon ausgehen, dass er sofort wieder einsatzbereit sein wird“, vermutet Jungandreas.

Erfolgreiche Systemänderung

Kompensiert hat er den weitgehenden Ausfall seiner Torjäger aus dem Rückraum mit einem anderen System, „das wir uns im Training erarbeitet haben“. Schnelle und extrem bewegliche Spieler wie Mannschaftskapitän Niklas Prautzsch, Daniel Sowada und Niklas Zierau haben viele Eins-gegen-Eins-Situationen gesucht und so massiv Druck auf die gegnerischen Defensivreihen ausgeübt. Eine der Folgen davon: Rechtsaußen Benedikt Schmidt hat deutlich mehr Pässe bekommen als früher. Der 30-Jährige hat das genutzt und sich zum Top-Schützen entwickelt. Er hat bislang 61 Treffer erzielt und liegt in der Torjägerliste der Staffel auf dem fünften Platz. Zweitbester Concorde ist Prautzsch (35 Tore, Rang 25).

Auffällig ist, dass viele jüngere Spieler einen deutlichen Schritt nach vorne in ihrer Entwicklung genommen haben. „Zierau hat seine längeren Einsatzzeiten ausgenutzt“, so Jungandreas. Auf Marius Harig könne er sich immer verlassen, das gelte auch für Max Kalliske. Einen Rohdiamanten hat der Trainer mit Yves Voigtländer im Kader. Der 19-Jährige, der zuvor beim EHV Aue in der Jugend-Bundesliga spielte, „hat uns sehr geholfen“. Der Lehramtsstudent (Sport, Biologie) hat in seinen sechs Einsätzen mit Abgezocktheit und Coolness überzeugt und 28 Tore erzielt. „Ich habe selten in unserer Liga einen so jungen Spieler auf diesem Niveau gesehen“, schwärmt ein „echt beeindruckter“ Übungsleiter.

Fortsetzung ungewiss

Die Saison soll fortgesetzt werden, „wenn ein geregelter Trainings- und Wettkampfbetrieb in den mitteldeutschen Bundesländern wieder möglich ist“, heißt es beim Verband. Ziel sei, sportliche Entscheidungen zu Auf- und Abstieg treffen zu können. Jungandreas („ich habe keinen Spieler im Kader, der nicht überzeugt hat“) geht nicht davon aus, dass bereits Januar der Ball durch die Hallen fliegen wird. Favorit auf Meistertitel und Aufstieg ist für ihn Köthen. „Sie wirken sehr stabil.“ Seine Mannschaft solle ihren attraktiven Handball fortsetzen und in der Abwehr noch gefestigter stehen. Und wenn im Angriff der Rückraum wieder komplett besetzt sein wird, „werden wir noch variabler“.