Wegen der Verletzungsgefahr wäre das Spitzenspiel zwischen Delitzsch und dem HSV Bad Blankenburg beinahe abgesagt worden. Später am Abend wurde Dachdecker David Röglin gar zum „Mann des Spiels“ gewählt.
Drama und Dramatik – das kennzeichnete die Top-Partie der Handball-Regionalliga zwischen dem NHV Concordia Delitzsch und dem HSV Bad Blankenburg. Die Gastgeber gewannen am Samstag mit 29:28 und verteidigten damit die Tabellenführung. Dass die Partie ausgetragen werden konnte, ist allerdings einem Dachdecker zu verdanken.
Die Mienen waren ernst. Um 18.50 Uhr gab Ralf Seidler dem Wettergott noch eine Chance. „Wir verschieben den Anpfiff um 20 Minuten“, teilte der Staffelleiter, der zugleich die Spielaufsicht innehatte, den beiden Trainern Jan Jungandreas (NHV) und Petr Hazl (HSV) mit. Der Grund: Es regnete in die Mehrzweckhalle hinein. Von einem Balken kurz unter der Decke tropfte es permanent auf das Parkett. „Auf eine ungünstige Stelle, die Verletzungsgefahr ist sehr groß“, deutete Seidler eine Absage der Partie an.
Riesige Leiter, Handtücher und grünes Licht
Es regnete und tropfte weiter, das Aus schien unausweichlich. Dann die unkonventionelle Rettung. Concorden-Vorstand Christian Hornig rollte mit mehreren Helfern eine riesige Leiter heran. David Röglin, der als Ordner eingesetzt war, im Hauptberuf aber als Dachdecker arbeitet, kletterte in luftige Höhe, warf mehrere Handtücher über den Balken, dichtete so ebenso provisorisch wie gekonnt das Leck ab. Seidler gab grünes Licht, die Begegnung des Ersten gegen den Zweiten wurde mit 27-minütiger Verspätung gestartet. „Ich bin froh, dass wir gespielt haben“, kommentierte Hazl unter beifälligem Kopfnicken von Jungandreas das Geschehen.
Die knapp 700 Zuschauer waren alle dageblieben, bereuten ihr Ausharren keine Sekunde. Denn es entwickelte sich „das erhoffte und hart umkämpfte Spitzenspiel“, wie es der Delitzscher Übungsleiter formulierte. Dabei erwischten die Nordsachsen den besseren Start und lagen Mitte des ersten Durchganges mit 10:5 vorn. „Wir sind ziemlich schlecht reingekommen“, fand der torgefährliche HSV-Rückraumschütze Stefan Remke. „Wir haben uns schlechte Würfe genommen“, kommentierte Hazl. Doch sein Team steigerte sich vor allem in der Abwehr und entwickelte offensiv mehr Durchschlagskraft.
Kreisläufer wird mit Erfolg in den Rückraum beordert
Rückraumspieler Josef Jonas war in dieser Phase von der Delitzscher Defensive kaum zu stoppen. So ging der NHV lediglich mit einer knappen 14:13-Führung in die Halbzeitpause. Im zweiten Abschnitt lief es zunächst ausgeglichen weiter. Die Concorden lagen zumeist knapp vorn, die Thüringer schafften umgehend den Anschluss. Jungandreas zog alle Register. Kreisläufer Niklas Seifert wechselte in den Rückraum und erzielte in der Schlussviertelstunde nahezu unaufhaltsam vier Treffer. Und Niclas Reinhardt, einer der besten Rechtsaußen der Liga, wechselte auf die linke Außenposition. „Das war für mich das erste Mal beim NHV“, sagte er.
Niclas Reinhardt kommt in der Schlussphase in ungewohnter Position zum Einsatz.
Das änderte nichts, dass die Gäste in den letzten sechs Minuten unter Aufbietung aller Kräfte den Concorden-Erfolg in höchste Gefahr brachten und aus einem 24:29 noch ein 28:29 machten. „Gegen Ende haben unsere Nerven nicht mitgespielt“, räumte Reinhardt ein. „Da haben wir zu sehr die Zeit heruntergespielt“, ergänzte Seifert. „Kleinigkeiten haben heute entschieden“, sagte Remke, der den Kontrahenten für eine „kontinuierliche Weiterentwicklung“ in den vergangenen Jahren lobt und ankündigte: „Auch wir wollen oben weiter mitspielen.“
Aber da steht nach dem letzten Spiel des Jahres der NHV mit 22:2 Punkten und somit nun drei Zählern Vorsprung vor Bad Blankenburg. Die Jungandreas-Schützlinge haben den Titel des Halbzeitmeisters also sicher. In der abschließenden Hinrunden-Partie treten die Concorden am 10. Januar 2025 bei der HG 85 Köthen an. Dachdecker Röglin, vom Fanclub Loberhaie zum „Man oft the Match“ gekürt, sorgte übrigens nach dem Abpfiff am Boden mit für ein reibungsloses Verlassen der Zuschauer aus der Halle mit dem Dachschaden.
NHV Delitzsch: Neuhäuser, Alpers; Seifert (5/1), Amtsberg (6/1), Prautzsch (2), Eckart (2), Bielicki (3), Zierau, Oehlrich (3), Griehl, Hanner (2), Viehweger, Reinhardt (6), Teichert.
Ulrich Milde/ 09.12.2024 / Leipziger Volkszeitung