Primus mit Personalsorgen: Gerade hat der NHV die Spitze erklommen, doch der Kader ist schmalbrüstig. Ein Rückkehrer schafft Abhilfe. Im Gegensatz zum Gastspiel von Torwart Carsten Klaus bleibt es kein einmaliges Comeback.
Delitzsch. Im Sommer hatte Martin Müller seine aktive Laufbahn beim NHV Concordia Delitzsch eigentlich beendet. Nach vielen Jahren auf hohem Niveau, einige davon in der zweiten Liga, wollte der Defensivspezialist einen sportlichen Schlussstrich ziehen. Keine fünf Monate später feierte er sein Comeback in der Mitteldeutschen Handball-Oberliga, prompt übernahm sein NHV die Tabellenspitze. Und Müller wird auch weiterhin auf dem Parkett gebraucht.
Die Knochen schmerzten selbst ein paar Tage später noch. „Und jetzt muss ich schon wieder ran“, sagt Martin Müller und lächelt gequält. „Jetzt“ bedeutet für Müller zunächst im Training am Donnerstag und dann im Spiel am Freitag bei der HG Köthen (19.30 Uhr). Dabei hat er sich die salzige Suppe gewissermaßen selbst eingebrockt. Als Co-Sportdirektor an der Seite von Falk Fürstenberg war der 33-Jährige nicht unwesentlich an der Zusammenstellung des Kaders beteiligt. Dem fehlt es an der so wichtigen Tiefe des Raumes. Gerade tut sich im Mittelblock eine Lücke auf. Der Routinier wird länger aushelfen, als es zuletzt etwa Torwart Carsten Klaus tat. Die Gründe sind vielschichtig.
Viel Bastelarbeit für den Trainer
Niclas Seifert ist noch im Urlaub. Boris Teichert soll sich nicht „festspielen“, damit er weiter für die zweite Mannschaft eingesetzt werden kann. Thomas Oehlrich ist zwar pünktlich zum Köthen-Spiel zurück, hat aber eine längere Pause hinter sich (Polizei-EM, Urlaub, Lehrgang). So wird Martin Müller weiter am Kreis seine Kreise ziehen. „Er ist da, wenn wir ihn brauchen. Auf ihn ist immer Verlass. Es ist außerdem wichtig, dass er seine Erfahrung an die jungen Spieler weitergibt“, sagt Trainer Jan Jungandreas. Wunderdinge erwartet der Coach vom spielenden Teammanager trotzdem nicht. Gerade in Sachen Geschwindigkeit kann Müller an mancher Stelle nicht mehr vollends mithalten. Angesichts der wöchentlichen wechselnden Personalsituation würde dem Übungsleiter derzeit aber auch eine Weiterbildung zum Sachverständigen für Puzzle helfen.
„Wir müssen immer ein bisschen gucken, wie wir den Kader zusammenbasteln. Bis jetzt fahren wir damit ganz gut“, sagt Jungandreas. Mit Blick auf Tabellenplatz eins klingt das eher etwas nach Tiefstapelei. Klar, die Saison ist jung und die Personalprobleme sind nicht wegzudiskutieren. Von der Meisterschaft redet niemand. Aber herschenken möchten die Concorden auch nichts. „Es ist eine schöne Momentaufnahme, die wir genießen können. Jetzt wollen wir schauen, dass es noch eine Weile so bleibt“, sagt Jungandreas. Heißt im Umkehrschluss: Weiter viel Arbeit im Training – auch wenn man ein Altmeister ist, der gerade aus dem Ruhestand geholt wurde. Seinen Ehrgeiz verpackt Martin Müller jedenfalls in vornehme Zurückhaltung.
Der Trainer und sein spielender Teammanager: Jan Jungandreas (l.) und Martin Müller.
Hat der NHV Titelambitionen?
Immerhin einmal mit der Mannschaft habe er vor seinem Comeback trainiert, sagt er. Lapidare Begründung: „Ich wollte mich nicht total zum Ei machen.“ Das ist dann auch nicht passiert. Im Gegenteil. Per 29:28-Erfolg im Topspiel gegen Halle übernahm Delitzsch die Spitze und verdrängte Topfavorit Plauen-Oberlosa auf Rang zwei. Zeit für so zarte wie frühe Titelambitionen? Müller winkt ab: „Da müsste sich Plauen schon extrem dämlich anstellen.“ Oder der NHV extrem clever. Vielleicht hilft es ja, wenn der ausgefuchste Defensivspezialist sein Comeback noch ein wenig ausdehnt.
Johannes David / 11.10.2023 / Leipziger Volkszeitung