Sie haben mehrere Gemeinsamkeiten. Steve Baumgärtel und Martin Müller gehören mit ihren 37 beziehungsweise 30 Jahren zu den älteren Spielern des Handball-Oberligisten NHV Concordia Delitzsch. Beide haben ihren Vertag um eine weitere Saison verlängert. Zur Erleichterung und Freude von Trainer Jan Jungandreas (33). Baumgärtel schätzt der Coach, weil er „mein verlängerter Arm auf dem Spielfeld ist“, Müller, weil er „hervorragend unsere Abwehr dirigiert“.
Die Begründung, warum beide auch künftig im NHV-Trikot auflaufen werden und Überlegungen, die Schuhe an den Nagel zu hängen, verworfen wurden, ähnelt sich. „So wollte ich nicht aufhören“, sagt Müller und verweist auf die bereits im Herbst wegen der Corona-Pandemie abgebrochene Spielzeit. Es wäre ihm eigenartig vorgekommen, zu gehen, ohne sich von den Fans verabschieden zu können. „Wäre die Saison normal verlaufen, hätte ich vielleicht meine Laufbahn beendet“, sagt Baumgärtel. Aber so wäre das „nicht sehr schön gewesen“. Ähnlich hatte zuvor schon Torwart Felix Herholc (33) argumentiert, der ursprünglich ebenfalls ans Aufhören gedacht hatte, nun auch eine zusätzliche Saison zwischen den Pfosten bleiben wird.
Klar ist nach Einschätzung von Experten, dass die Bedeutung der zwei Feldspieler für das Team nicht zu unterschätzen ist. Baumgärtel ist der Denker und Lenker. Er nimmt, wenn nötig, das Tempo aus der Partie, um es, wenn es angebracht ist, wieder zu beschleunigen. Und auch der dritte Fehlwurf lässt ihn kalt, die nächste gute Torchance versucht der rechte Rückraumspieler unbeeindruckt zu nutzen. Müller wiederum ist der effiziente Organisator der Deckung. Er agiert ruhig und gelassen, packt zu, wo es notwendig ist, weiß um die Bedeutung einer starken Abwehr. „Über sie holt sich die Mannschaft auch Selbstvertrauen für den Angriff.“ Und wenn das Zusammenspiel mit dem Torwart klappe, habe der gute Chancen, viele gegnerische Würfe zu parieren.
Schalten die Concorden auf Offensive um, verlässt Müller regelmäßig umgehend das Parkett, er macht zumeist Platz für Maximilian Amtsberg (21). Der blonde Hüne soll immer mehr in die Rolle des Torjägers hineinwachsen. Müller-Tore sind somit selten. „Nach drei Schulterverletzungen kann ich nicht mehr groß werfen.“ Folglich habe er sich die Deckung „als meine Nische“ gesucht.
Der gebürtige Leipziger lief früher für den SC DHfK auf, wechselte von der zweiten in die dritte Liga nach Bad Blankenburg, war ein Jahr in der österreichischen Hauptstadt Wien und kehrte vor knapp vier Jahren nach Delitzsch zurück. Dort war er bis zur Insolvenz im Jahr 2010 des in der zweiten Bundesliga spielenden Klubs zuvor schon einmal aktiv. Baumgärtel, der in Frankfurt/Oder geboren wurde und später mehrere Jahre für Dessau (zweite Liga) Tore erzielte, hat ebenfalls eine Delitzscher Vergangenheit und war in der Saison 2009/10 gemeinsam mit Müller hier. Später spielte er unter anderem in Groß Bieberau und in Leipzig, half in der Saison 2018/19 sogar beim SC DHfK in einigen Partien in der Eliteliga aus. „Das waren geile Erlebnisse.“
Auch privat haben die beiden befreundeten Spieler eine Gemeinsamkeit: Sie unternehmen gerne zusammen Städtetouren. Baumgärtel erzählt, er habe sich ursprünglich vorgenommen, bis zu seinem 40. Geburtstag in allen europäischen Hauptstädten gewesen zu sein. „Sechs fehlen mir noch, und das Zeitfenster werde ich wegen der Pandemie wohl verschieben müssen.“ Bei Müller stehen auf der Besuchsliste „noch ein paar mehr Hauptstädte“.
Etwas unterschiedlich bewältigen die beiden die Zwangspause. Sie halten sich zwar fit, doch Müller räumt ein, dass es ihm gelegentlich schwer fällt, den Trainingsplan
allein zu absolvieren. „Wir sind ja nicht umsonst Mannschaftssportler geworden.“ Baumärtel dagegen macht das gern, „da bin ich relativ ehrgeizig“. Natürlich würde er sich riesig freuen, wenn das gemeinsame Üben wieder aufgenommen werden könnte. In der neuen Saison kommen auf ihn womöglich zusätzliche Aufgaben zu. Jungandreas denkt daran, ihm die eine oder andere Aufgabe im Training zu übertragen. „Das ist noch nicht in Sack und Tüten“, wiegelt Baumgärtel ab, um dann einzuräumen, dass er schon jetzt im Training gerne auf Fehler hinweise und verbessere.
Ob die zwei nach der kommenden Saison dann tatsächlich aufhören, steht auch noch nicht fest. „Das kann zwar gut sein“, sagt der Finanzbeamte Müller. „Aber ich will und werde das nicht jetzt entscheiden, das ist auch eine Frage der Fitness.“ Und auch bei Baumgärtel, der bei der Stadtverwaltung Leipzig arbeitet, ist eine weitere Verlängerung ebenfalls zumindest nicht ausgeschlossen.
© Leipziger Volkszeitung / Text: Ulrich Milde / Foto: Alexander Prautzsch