© Team Sport der LVZ / 07.01.2022 /
Nachteil durch Trainingsverbot: Jan Jungandreas (re.) und Alexander Kunert dürfen nicht mit ihren Teams arbeiten. © K. Hannover/imago images/Jan Huebner/A. Prautzsch
Ob Fußball, Handball, Volleyball oder Judo: Die sächsischen Amateurvereine dürfen nicht trainieren, geschweige denn spielen. Nicht wenige schielen deshalb sehnsüchtig in andere Bundesländer und fahren zu Testpartien oder Trainingseinheiten ins benachbarte Bundesland Sachsen-Anhalt, wo die Corona-Regeln andere sind. Dabei geht es nicht nur um Fitness, sondern auch darum, konkurrenzfähig zu bleiben.
Leipzig. Seit fast zwei Jahren wird beklagt: Die Bundesrepublik ist in der Pandemie ein einziger Flickenteppich. Trotz ähnlicher Infektionslage könnten die Verordnungen der Bundesländer unterschiedlicher nicht sein. Da es die Sachsen seit November besonders hart trifft, haben wir die Vertreter der in überregionalen Ligen antretenden Vereine gefragt: Gibt es einen Wettbewerbsnachteil?
Wo ist da der Sinn?
Mit Wehmut hat sich Jan Jungandreas dieser Tage durch die sozialen Medien geklickt. Viele Konkurrenten der Oberliga-Handballer des NHV Concordia Delitzsch präsentierten Bilder von den ersten Trainingseinheiten des Jahres. „Wenn man sieht, wie die anderen Mannschaften ihr Auftakttraining absolvieren, dann blutet einem das Herz“, so der Coach des Viertligisten, der frustriert ergänzt: „Wir haben definitiv Nachteile. Zwar haben wir eine gute Ausgangslage und mit dem Abstieg nichts zu tun, aber wir würden gern mehr daraus machen. Dem Wettbewerb tut es nicht gut.“ Der NHV schiele mit einem Auge nach Sachsen-Anhalt. „Wir nutzen unsere Kontakte und schauen, ob es dort vielleicht Möglichkeiten für uns gibt“, berichtet Jungandreas und hinterfragt die Sinnhaftigkeit der Regelungen, „wenn sich einfach alles nur über die Landesgrenze verlagert“.
Andere (Bundes-)Länder, andere Sitten: Das Regel-Chaos in der Pandemie ist enorm groß. Während in Sachsen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr der Amateur-, Breiten-, Fitness- und Gesundheitssport vollkommen stillsteht, gelten bei den Nachbarn ganz andere Vorschriften. Ein Überblick mit Stand 07. Januar 2022: ©
Ähnlich sehen es die Oberliga-Frauen der HSG Rückmarsdorf. „Wir haben als sächsischer Verein definitiv einen Nachteil“, sagt Abwehrchefin Laura Neumann. „Dies belastet nicht nur unseren physischen, sondern auch unseren psychischen Zustand.“ Jede Einheit ohne Ball werde zur großen Motivationsfrage. „Zwar können wir uns außerhalb der Halle fit halten, aber es fehlt die Handball-Spezifik – und unser Zusammenspiel als Team bleibt ganz auf der Strecke.“ Diese Aspekte seien schwerwiegend, sollte der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden. Hinzu komme dann die Verletzungsanfälligkeit.
Die Handballerinnen und Handballer in Sachsen-Anhalt gehen dem Spielbetrieb nach – in Sachsen hält die seit zwei Jahren herrschende Hängepartie an. HCL-Nachwuchskoordinator Tim Modrzynski: „Die Qualität wird bei uns langfristig abnehmen.“ Die hiesigen Entscheidungen, um die Welle zu brechen, hält er für richtig. „Aber es ist nicht nachzuvollziehen, wenn im Nachbarbundesland gespielt wird.“ Man sei indes dankbar, dass die Trainings- und Sozialisationsprozesse unterhalb der B-Jugend in Sachsen funktionieren.
Zum Training nach Braunsbedra
In der Volleyball-Regionalliga haben gleich zwei hiesige Frauenteams das Ziel Aufstieg formuliert. Sowohl Spitzenreiter Neuseenland Volleys Markleeberg als auch der Tabellenzweite L.E. Volleys fürchten aber schon jetzt die Konkurrenz aus Jena, die bislang weitertrainieren darf und in der womöglich heißen Saisonphase im Frühjahr eingespielter und bei Fünf-Satz-Krimis konditionell im Vorteil sein könnte.
Die Markkleebergerinnen schielen nicht nur nach Sachsen-Anhalt – sie reisen regelmäßig zu Testspielen oder Einheiten nach Braunsbedra und Magdeburg, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Hinzu kommt eine Athletikeinheit über Zoom, die auch gut angenommen wird. Wir hoffen, dass es dieses Jahr endlich wieder einen Aufsteiger in die 3. Liga gibt – das wollen wir sein“, betont Co-Trainerin Sandra Peter.
„Laufen bringt uns nicht weiter“
Für Volleys-Coach Erik Schmidt kommt die Reiserei und damit das Umgehen der Kontaktbeschränkung nicht in Frage, „um die Mädels so gut es geht zu schützen“. Er bedauert vielmehr, dass es für den Sport bisher keine 2G-Plus-Option gibt. „Unser Team könnte geimpft, geboostert und zusätzlich getestet allein in der Dreifelderhalle trainieren – das wäre eine sichere Sache.“ Seit sechs Wochen hätten seine Spielerinnen keinen Ball in der Hand gehabt. Auch bei den Volleys biete der Athletik-Coach eine Zoom-Einheit pro Woche an und schreibe zusätzliche Pläne. „Laufen bringt uns im Volleyball nicht weiter – das schadet eher. Und ein Ball würde bei 0 Grad im Freien wehtun, da machst du mehr kaputt.“
Die Regionalliga-Männer der Volleys sehen sich eher als Ausbildungsteam denn als Drittligakandidat. Trainer Leo Stampehl bedauert die Perspektivlosigkeit seiner 17 bis 23 Jahre alten Akteure: „Jetzt steht schon die dritte in Saison in Folge vor dem Abbruch – trotz unserer hundertprozentigen Impfquote und guter Hygienekonzepte. Unter diesen Umständen können unsere Spieler den Sprung in die 2. Liga nicht schaffen.“ Maximal zwei, drei Spieler könnten momentan bei Christoph Raschers Zweitliga-Team mit trainieren. Rückt niemand aus der Jugend nach, habe die erste Mannschaft der L.E. Volleys langfristig gesehen einen enormen Nachteil gegenüber Teams aus Gotha, Hessen, Bayern oder Württemberg. Dem GSVE Delitzsch ergeht es nicht anders.Weitere Meldungen zu Corona und SportLeipziger Darts-Clubs in der Pandemie: Zwischen Pfeilewerfen im Home-Office und WM-FieberCorona-Impfaktion des SC DHfK Leipzig: „Beeindruckend, wie das zündet“Trüber Sportwinter für Oschatzer Handball-Frauen und den Nachwuchs
Auch die Oberliga-Fußballer des FC Grimma müssen aus der Ferne zusehen, wie Teams benachbarter Bundesländer enteilen, während man zu individuellem Training verdammt ist. „Jeder Tag, an dem wir nichts machen, ist ein verlorener Tag“, sagt Trainer Alexander Kunert. „Wenn es so weitergeht, wäre das fatal und würde den Wettbewerb verzerren.“ Er mache der Konkurrenz keinen Vorwurf: „Für uns ist es einfach eine brutale Zeit.“
Willkommenskultur im Judo
Den Judoka läuft die Zeit davon – im April sollen neben der Bundesliga auch die anderen Teamwettbewerbe starten. Den Sachsen drohen immense Nachteile gegenüber der Konkurrenz. „In unserer Sportart herrscht zwischen den Vereinen in Mitteldeutschland zum Glück eine hohe Willkommenskultur. Normalerweise reisen viele Kämpfer zum Training nach Leipzig. Momentan ist die Einladung in die andere Richtung ausgesprochen“, betont JCL-Kämpfer Jakob Schiek, der auch Vereinsmitglied in Naumburg und Halle ist. Als Organisator der Landesliga Sachsen-Anhalt weiß er: „Vieles steht und fällt mit den Ansprechpartnern in den Gesundheitsämtern.“ Diese würden in einigen Kreisen Sachsen-Anhalts für den Sport vieles ermöglichen.
In Sachsen geht dies wegen der Landesverordnung derzeit nicht. Olympiasieger Udo Quellmalz vom JCL leitete im Dezember eine Einheit in Naumburg. Der Zusammenhalt ist also groß. Ebenso groß ist der Wunsch nach einheitlichen Regeln. Der Ball liegt mal wieder bei der Politik.
Johannes David, Antje Henselin-Rudolph, Stephanie Riedel, Frank Schober